Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Karsten Stöhr
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Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

Im Juli 2018 verstarb Alfred Jungenitz (Jahrgang 1930). Er hat die IG Spur II in ihrer ersten Dekade Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre mit geprägt. Über viele Jahre fungierte er in der IG als Beirat für Technik. Zum Beispiel avancierte sein Tatzlagerantrieb mit eisenlosen Motoren zu einer Art Standard für hochwertige Antriebe.

Lange bevor er sich der Spur II zuwendete baute er nach gleichen Grundsätzen in Spur 1, Maßstab 1:32. In der Ausgabe Nr.4 des ehemaligen Magazins UNO für Modellbahnen in Spur 1 zeigte Alfred Jungenitz in einer Rückschau seine Gartenbahn in Spur 1 von 1954 (!), ein Vierteljahrhundert bevor Märklin die Spur 1 revitalisierte. Alle Fahrzeuge baute er selbst, darunter eine Henschel Diesellok und diverse verschiedene Güterwagen.

Dieselbe Henschel Diesellok baute er Jahrzehnte später noch einmal, diesmal im Maßstab 1:22,5. Sie soll ebenso in einem eigenen Beitrag vorgestellt werden, wie auch weitere Fahrzeuge, die er in Spur II baute. Alle Modelle hat er aus Stahl gebaut, denn sonst wäre es nach O-Ton Jungenitz ja eine „Messingbahn“ oder „Plastikbahn“ aber keine Eisenbahn.

Gleich nach dem Bau der Diesellok schuf er in nur wenigen Jahren auf dem Dachboden eine Modellbahn in Spur II recht großen Ausmaßes mit 31 Weichen, 6 DKW und ca. 200 Metern Gleisen, die er alle selbst gebaut hat. Dabei verwendete er durchweg einen Radius von 2,20 m und Steigungen von 5%. Diese Randbedingungen führten zu seiner Wahl recht ungewöhnlicher und wenig bekannter Vorbilder seiner Lok- und Triebwagenmodelle, die er ebenfalls selbst baute.
Bemerkenswert finde ich die Reihenfolge, erst die Gleisanlage zu erstellen und dann die dazu passenden Fahrzeuge.

Seine Modelle zeichnen bestimmte Bauprinzipien aus, die in der Betriebstüchtigkeit und handwerklichen Ausführung lagen. Wenn ein Teil beschädigt wird - egal welches, sei es ein Tritt, eine Griffstange oder Kuppelstange -, dann muß dieses abgeschraubt werden können, gerichtet oder ersetzt werden können, und wieder anmontiert werden können. Bei seinen Testberichten von kommerziellen Modellen hat er entsprechend auch moniert, wenn z.B. wie bei einer Dampflok des Herstellers Wende die Kuppelstangenbolzen in die Räder eingeklebt waren und so die Kuppelstangen im Fall eines Falles nicht mehr von den Rädern gelöst werden konnten.

Neben der Funktionstüchtigkeit und Wartbarkeit zeichnet auch eine enorme Stabilität und Robustheit seine Modelle aus. Seine Fahrzeuge können quasi an jeder Griffstange und jedem Laternenhalter hoch gehoben werden, ohne daß Teile abbrechen würden. Dies bedeutet nicht, daß seine Modelle etwa grob ausgeführt wären. sondern sehr wohl feine Details aufweisen. Auch ist alles genauestens und maßstäblich nach Zeichnungen des Vorbilds gebaut.

Ähnliche Baugrundsätze findet man auch bei den Spur 1 Modellen der Modellschmiede Bockholt aus Dassendorf. Tatsächlich war Alfred Jungenitz ein Weggenosse des (ebenfalls bereits verstorbenen) Firmengründers Egon Bockholt. In der Firmenchronik der Fa. Bockholt, die als Buch zum 40 jährigen Bestehen der Firma erschien, beschreibt Alfred Jungenitz, wie er den Senior motivierte, eine eigene Firma zu gründen.

Alfred Jungenitz war bestrebt seine Kenntnisse und Erfahrungen sowie seine Baugrundsätze anderen Modellbauern weiter zu geben. Von 1984 bis 1995 war in fast jeder Ausgabe der gedruckten Mitteilungen (der ehemaligen Vereinszeitschrift der IG Spur II) mindestens ein Beitrag von ihm zu finden, mal Beschreibungen vom Bau seiner Modelle, mal Zeichnungen von Vorbildern, mal Grundlagen der Anschriften an Güterwagen, mal Testberichte von Probefahrten neu erschienener Modelle auf seiner Anlage, u.a.m.

Beispielhaft erwähnen möchte ich:
  • Seinen ersten Artikel in den Mitteilungen 4, in dem er seine Henschel Diesellok sowie den Bau seiner Weichen vorstellt
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  • In den Mitteilungen 7 stellt er seinen Triebwagen ET 51 vor
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  • In den Mitteilungen 9 zeigt er den Gleisplan seiner beeindruckenden Spur 2 Anlage
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  • In den Mitteilungen 12 beschreibt er seinen bekannten Tatzlagerantrieb
  • In den Mitteilungen 33 stellt er den Bau der beiden E42.2 Modelle vor, die dann fertig das Titelblatt der Mitteilungen 41 zieren.
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Da die damals für die Mitteilungen zur Verfügung stehende Drucktechnik Fotos nur in sehr bescheidener Qualität vervielfältigen konnte, bestanden die Mitteilungen in den 80er und 90ern hauptsächlich aus Text und einigen Zeichnungen. Dadurch konnten leider Alfred Jungenitz’ fertige Modelle, wie auch die Werke anderer Modellbauer, nicht ausreichend gezeigt und gewürdigt werden. Ich möchte dies nachholen und seine Spur II Modelle in folgenden Artikeln mit Fotos im Spannwerk vorstellen.

Ab Mitte der 90er Jahre zog er sich zunehmend aus der IG Spur II zurück und widmete sich stattdessen stärker einer lokalen Interessengruppe zur Pflege und Erhaltung von Tin-Plate Modelleisenbahnen. Bereits angefangene Modelle des DB Ommi 51 Muldenkippwagens in Spur II blieben unvollendet liegen.

In der regelmäßigen Kolumne „Menschlich“ des Hamburger Abendblatts wurde in der Ausgabe vom 31. März 1993 Alfred Jungenitz vom Autor Bob Geisler vorgestellt. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion darf ich diese Kolumne hier wiedergeben und möchte damit die Vorstellung von Alfred Jungenitz unter besonderer Beachtung seines Spur II Modellbahnschaffens beschließen.
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Kolumne aus dem Hamburger Abendblatt vom 31.3.1993, Autor Bob Geisler, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Karsten Stöhr
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Spur II Modell der Henschel DH 875

Beitrag von Karsten Stöhr »

Die Henschel DH 875 war ein regelrechter Exot, die ein Einzelstück blieb, da sie nicht sehr erfolgreich war. Aber 1954 war sie das neueste vom neuen.
Und um diese Zeit hat Alfred Jungenitz sie als Modell gebaut, damals noch in Spur 1. Jahrzehnte später hat er sie nochmal gebaut, nun in Spur II.

Über das Vorbild des Modells erfahren wir auf rangierdiesel.de:
1954 stellte Henschel eine 875 PS leistende, vierachsige Drehgestelllokomotive als Erprobungsträger für den Gelenkwelleneinsatz im Lokomotivbau in Dienst. Es handelte sich um die erste Gelenkwellen-Lok, die Henschel bisher gebaut hat.

Die Maschine absolvierte verschiedene Vorführeinsätze, so. u. a. bei der Hohenzollerischen Landesbahn und bei der Deutschen Bundesbahn, die sie als "V 88 01" in ihren Bestand einreihte.

Die Konstruktion erwies sich wohl als noch nicht ausgereift, da die Maschine Ende der 1950er Jahre im Herstellerwerk in Kassel verschrottet wurde. Das Getriebe wurde in einer Lok des Typs DHG 630 weiterverwendet.
Quelle: www.rangierdiesel.de

Alfred Jungenitz berichtete 1985 in den IG Mitteilungen Nr. 4 über Vorbild und Modell:
Die DH 075 ist ein Stück (vergeblicher) Henschel-Nachkriegsgeschichte. Es hat nur einen Prototyp gegeben, einige später gelieferte Loks sahen schon ganz anders aus und gingen fast alle ins Ausland. Das große Geschäft mit den Staatsbahnen (auch DB) blieb aus. Meines Wissens hat die DB die Maschine
im Raum Bamberg einige Zeit erprobt, sie aber nicht übernommen. Sie soll dann später an den Bochumer Verein verkauft worden sein, wo sie dann im rauhen Wersverkehr elend umgekommen ist. Ich teile Ihnen das mit Vorbehalt mit, denn ich weiß es nur aus Erzählungen , nicht aus der Literatur, die sich um diese Maschine so gut wie nicht gekümmert hat.

Der Dieselmotor hatte - wie in der Bezeichnung angegeben - 875 PS Leistung bei einer Drehzahl von 1250 U/min., die Lok hat 1000 mm Treibraddurchmesser, Speichenräder, 2800 mm Drehgestellabstand, 8900 mm Gesamtachsstand und eine LüP von 14700 mm. Rundherum ein hübsches Stück Dieselhydraulik, aus
den fünfziger Jahren. Etwas ganz Besonderes war die von Henschel mit Aufwand ausprobierte und propagierte " spielfreie Achslagerführung " die sich in dieser Form nicht bewährt hatte und nach allgemeiner Einführung der Lenkerführung (wie bei Minden-Deutz ) schnell in der Versenkung verschwunden ist. Diese Achslagerführung ( ich habe ihr im Modell ein sehr genaues Denkmal gesetzt ) war sicher die Ursache ( oder der Vorwand ) weshalb die DB nicht angebissen hat. Jedenfalls hörte man damals so.

Ich hatte 1956 Henschel angeschrieben und bekam eine freundliche Antwort mit einer Werkszeichnung 1:20 und ausführlichen Prospekten, so nett waren damals die Fabriken, wenn einer der (noch wenigen) Modelleisenbahner Interesse zeigte. Das waren noch Zeiten. Dafür waren die Buchhandlungen noch nicht mit Eisenbahnbildbänden für "Fans" bis unter die Decke vollgepappt. Man orientierte sich seinerzeit noch in der Fachliteratur, was nicht immer einfach war, da heranzukommen. Aber wieder zur Sache: Das Modell ist in Stahl gefertigt, die Verbindungen mit Silberlot hergestellt, Tatzlagerantrieb, also Einzelantrieb an allen Achsen, Stirnradgetriebe schrägverzahnt (so gut wie geräuschlos) 1:12, 24 V-Motoren Bauart Philips mit eisenlosem Anker. Hohes Drehmoment bei großer Wirtschaftlichkeit (nie mehr Aufnahme als 0,7 Ampere! ). Die Lok wiegt übrigens 10 kg.
Soweit der Erbauer selbst. Er hatte wohl damals mehrere Fotos der zu dem Zeitpunkt noch unlackierten Lok an die Redaktion der IG Mitteilungen geschickt. Die damals für die Mitteilungen zur Verfügung stehende Drucktechnik erlaubte jedoch keine gute Wiedergabe von Fotos. Das will ich hiermit nachholen.

Henschel Diesellok DH 875
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Frontansicht
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Heckansicht
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Führerhaus
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Die Türen sind nicht beweglich und man sieht keine Inneneinrichtung

Vorderer Vorbau
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Die Türen bzw. Klappen sind mit feinster Tuschelinie aufgemalt

Durchbrochene Lüftergitter
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Durchbrochene Trittstufen
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Vorderes Drehgestell
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Sämtliche Federn sind voll funktionsfähig

Hinteres Drehgestell
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Sämtliche Federn sind voll funktionsfähig

Details an der Achsaufhängung
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Antrieb über 4 Tatzlagerantriebe
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Details der Antriebe
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Das ganz aus Stahl gefertigte Modell zeigt gut die Modellbaugrundsätze des Erbauers. Alle Elemente der Achs- und Drehgestellfederung sind voll funktional nachgebildet. Alle Teile sind verschraubt und können ausgetauscht werden. Seine Robustheit demonstrierte das Modell ungewollt, als eines Tages die Lok über das Gleisende des Kopfbahnhofes hinaus fuhr und mit vollem Schwung stumpf gegen die solide gemauerte Wand des Dachgiebels prallte. An der Lok war danach keinerlei Beschädigung zu erkennen aber in der Wand sieht man heute noch den Krater des Einschlags.
Karsten Stöhr
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Spur II Modellbahn-Anlage von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

In einem Dachbodenraum von 14 x 7 Metern baute Alfred Jungenitz seine ausgedehnte Gleisanlage in Spur II. Für den Bau erstellte er in seiner eigenen Werkstatt 34 einfache Weichen, 4 Bogenweichen, 6 DKW und 210 m Gleis!
Wie er in den Mitteilungen Nr. 9 berichtete, wurde der Gleisbau am 24. Januar 1987 beendet, nach gerade mal gut 3 Jahren!

Verwendet wurden 8,5 mm hohes brüniertes Ms-Schienenprofil und schwarze Kunststoffschienenstühle mit Einsteckzapfen der Firma LEBU. Die Schwellen sind ausnahmslos aus Buchenholz erstellt und wurden in dunkelbrauner Beize getränkt. Insgesamt wurden 8250 Schwellen verarbeitet.

Alle Bögen wurden überwiegend mit einem Radius von 2,20 m verlegt. Sofern es irgend möglich war, sind alle Kurveneingänge mit Übergangsbögen versehen worden. Die Rampenstrecken hatten eine größte Steigung von 1:20.

Wie schon früher bei seiner Spur 1 Anlage war auch in Spur II das Thema wieder die fiktive Privatbahn Altenboitzen - Kiefernwalder - Eisenbahn. Zwischen den beiden namengebenden Endbahnhöfen lagen vier weitere Zwischenstationen. Die gesamte Streckenlänge zwischen den Endbahnhöfen betrug 126 Meter. Eine Fahrt bei mittlerer Geschwindigkeit vom einen Ende bis zum anderen dauerte ohne Zwischenhalt 4 Minuten.

Gleisplan Anlage Jungenitz
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Alle Gleise wurden lose eingeschottert und die Stationen besaßen Bahnsteige und teilweise Lampen, Stationsschilder und wenige Figuren. Ansonsten wurde auf Landschaftsgestaltung offenbar kein weiterer Wert gelegt. Auch gab es keinerlei Gebäude.

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Stellwerk
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Alle Weichen wurden mit Tenshodo Magnetspulenantrieben gestellt. Die Steuerung erfolgte über mehrere selbstgebaute Drucktastenstellwerke, welche die Fahrwege mittels Start- und Zieltasten einstellten, also keine Einzelsteuerung der Weichen.

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Übergang zu einem klappbaren Teil
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Für einen bequemen Zugang besaß die Anlage drei klappbare Elemente. Die Stromzuführung zu den Gleisen auf den Klappteilen wurde über solche Federbleche an den Schienenstößen realisiert.

Wie schon im Eingangsbeitrag erwähnt verlagerte sich das Interesse des Erbauers ab etwa Mitte der 90er Jahre zunehmend auf die Erhaltung und Pflege von Tin-Plate Eisenbahnen.

Alle Fotos dieses Beitrags von B. Strunge aus der Sammlung des Autors
Karsten Stöhr
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Spur II Weichen von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

Wie schon im vorigen Beitrag über die Anlage geschildert, hatte Alfred Jungenitz alle Gleise und Weichen selbst gebaut. Dazu hatte er sich eine Lehre erstellt und darin die Weichen quasi in Serie gebaut. Das hat zur Folge, daß alle Weichen dieselbe Geometrie aufweisen. Über den Bau der Weichen hatte er 1985 in den Mitteilungen Nr. 4 berichtet, aber damals konnten halt kaum Bilder wiedergegeben werden.

Als Ergänzung hier ein paar Bilder solch einer einfachen Weiche. Er hatte diese sowohl mit rechtem wie linkem Abzweig gebaut, insgesamt 34 Stück. Die Weichen sind ca. 80 cm lang. Der Bogen geht bis zum Herzstück, ab dem Herzstück ist der Abzweig gerade. Seinen Baugrundsätzen der guten Wartbarkeit folgend, sind die Zungenbereiche, die Herzstücke und Radlenker alle als Baugruppen auf die Schwellen aufgeschraubt. Diese Elemente hatte er in Anlehnung an den preußischen Plattenoberbau gestaltet.

Wie schon erwähnt entsprechen die Profile mit 8,5 mm Höhe dem LGB-Profil, die Schienenstühle sind von LEBU und die Schwellen sind aus Buchenholz geschnitten.

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Selbstgebaute Weiche

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Zungenbereich

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Herzstück und Radlenker

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Selbstbauweiche

Neben den einfachen Weichen hat er auch noch 6 DKW gebaut:

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Selbstgebaute DKW

Die DKW sind ungefähr 1 m lang.
Zu den Weichen kamen noch gut 200 m Gleis.
Alles in gerade mal 3 Jahren erstellt.
Karsten Stöhr
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Spur II Modell eines ET 51 von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

Die elektrischen Triebwagen der Baureihe ET 51 sind wohl weitaus weniger bekannt unter Eisenbahnfreunden und Modellbahnern als die geläufigeren ET 85, ET 25 oder ET 65. Das dürfte zum einen an dem begrenzten Einsatzgebiet auf den schlesischen Strecken und zum anderen an der kurzen Lebenszeit von den 30er Jahren bis zum Ende des Krieges liegen. Nach dem Krieg wurden sie als Reparationsleistung nach Rußland gebracht, wo sich die Spur verliert.

Informationen zum Vorbild gibt es z.B. auf dieser Webseite: http://www.zackenbahn.de/et51_0.html

Die Gründe, warum Alfred Jungenitz gerade den ET 51 als Vorbild für seine Triebwagenmodelle wählte, beschrieb er 1986 in den Mitteilungen Nr.7. Seinen Artikel möchte ich hier für ein breiteres Publikum zitieren:
Eine für Fahrplanbetrieb konzipierte Anlage braucht logischerweise Fahrzeuge für den Personenverkehr - soweit, sogut. Das betrifft alle Spurweiten, von der kleinsten Krümelspur bis zur Gartenbahn. Kritisch wird die Sache erst, wenn sich bei den handfesteren Spuren wie von selbst Sachzwänge einstellen, wie Mindestradius - der sich unweigerlich aus dem Raumangebot ergibt -, Gleislänge, Gegenkurven oder Steigungen usw. Auch hier schlägt die Stunde der Wahrheit, wenn man irgendwann erkennt, daß die Anlage trotz scheinbarer Größe immer noch Kleinbahncharakter hat und auf Biegen und Brechen keinen IC-Verkehr verträgt.

Auch auf der Altenboitzen-Kiefernwalder-Eisenbahn (AKE) kommt von dem oben gesagten einiges zusammen. Zwar späterer Oberleitungsbetrieb - aber doch höchstens nebenbahnähnlicher Kleinbahnbetrieb, mehr ist nicht drin. Das Ganze noch mit Steigungen von 1:20 gleich 50 0/00 und in diesen Steigungen der Mindestradius von 2,20 m, der fast überall Einheitsradius ist. Selbstverständlich war der erste Gedanke, den Personenverkehr mit Langenschwalbachern zu machen. Sie sind Drehgestellfahrzeuge, sehr kurz, leicht und in der Ausführung aus den 20er Jahren recht ansehnlich. Aber dazu gehört auch die passende Dampflok, T 9 oder ähnliches. Also zusätzliche Arbeit, die eigentlich nicht gewollt war. Packwagen und Postwagen sollten auch nicht fehlen: insgesamt ein Riesenprogramm.

Die zündende Idee ist also ein Triebwagen für Oberleitungsbetrieb, der den Personenverkehr erledigt und so ganz nebenbei auch noch den Gepäck- und Postverkehr mitmacht. Natürlich sollte er 4achsig sein, kurze LüP und vom Drehzapfen bis zur Pufferscheibe nur wenig Überhang haben. Wenn er trotzdem Rechteckpuffer benötigt, nun gut, es gibt schlimmeres. Bei Durchsicht dessen, was es mal so alles gegeben hat, kommt man wie von selbst auf den "mittelalten" schlesischen ET 51 mit seinem ES 51. Es gab zwei verschiedene Bauarten, nämlich den ET 51.01 - 04 und den späteren ET 51.11 - 14. Gemeint ist hier die ältere, weil kürzere Bauart von 1934. Das Fahrzeug hat eine bescheidene LüP von nur 20 300 mm und die Görlitzer Drehgestelle sitzen so dicht an der Pufferbohle wie es nur geht. Außerdem sind die Triebwagen der 30er Jahren mit ihrer korbbogengerundeten Stirnfront und der dreifarbigen Lackierung wirklich hübsche Fahrzeuge. Wenn man die alten Fotos sieht, möchte man schon gern einsteigen und eine Rundfahrt durch das sommerliche Riesengebirge machen.
Die meisten Modellbauer werden wohl die Vorbilder ihrer Modelle nach Bauchgefühl, Vorlieben und persönlichen Erinnerungen aussuchen. Alfred Jungenitz dagegen ging wie beim Vorbild vor und berücksichtigte bei der Fahrzeugwahl die Strecke mit ihren Kurven und Steigungen sowie eine gewisse Rationalität, d.h. ein Triebwagen ist weniger aufwändig wie eine Dampflok mit mehreren Personen-, Post- und Gepäckwagen.

Zur Ausführung des Modells erfahren wir in demselben Artikel:
Für den Modellbauer sind Görlitzer Drehgestelle schon ein Problem an sich. Das ist nicht neu. Der ET 51 hat zwar diese langachsständigen Gestelle, allerdings in einer "Sonderbauart" ähnlich wie bei den Stuttgarter ET 65 und beim ET 25. Daß es nicht ganz einfach war, in dieser Art Drehgestelle ohne Seitenblechwände Transformatoren oder Motoren hineinzubauen bei gleichzeitiger Erhaltung der Wiegenfederung über seitliche Langfedern, leuchtet ein. Und irgendwo sollte die Bremsanlage auch noch bleiben. Diese Probleme von damals übertragen sich fast unmittelbar auf den Modellbauer von heute - besonders bei Spur II. Denn ein großer Maßstab erfordert detaillierte Arbeit bis zu einer gewissen Grenze, wo Enge und Stabilität der Einzelteile nichts mehr zulassen.
[…]

Nirgendwo wird man heute noch genau feststellen können, wie denn wirklich diese "Sonderbauart" der Görlitzer Drehgestelle beim schlesischen ET 51 in den Einzelteilen gemacht war. Die Sucherei kostet nur unnötige Zeit. Es bleibt daher nur übrig, das normale Görlitzer Drehgestell genau zu studieren und die Unterschiede auf den Fotos, soweit zweifelsfrei zu erkennen, mit den Einheitsausführungen irgendwie glaubhaft zu verbinden. Darin sollte niemand ein Manko sehen, es geht einfach nicht anders. Es wäre vielmehr schade, wenn die Modellbauer wegen mangelnder Unterlagen diese und andere Fahrzeuge aus der Vorkriegszeit, die nicht Star in allen Zeitschriften waren, vom Programm streichen würden. Wichtig ist, das Fahrzeug insgesamt wird als ET 51 unverwechselbar, auch dann, wenn der unsichtbare Bremszylinder auf der falschen Seite sitzen sollte.

Was noch anzumerken wäre: Der Triebwagen als Personenbeförderer läuft auf der Anlage bei Bedarf als Triebfahrzeug, sozusagen als verkappte Lokomotive. Im Falle der AKE - Planung werden zwei Triebwagen und ein Steuerwagen gebaut, sie verkehren im Normalfall in der Zusammenstellung ET - ES - ET, wie auf dem bekannten Foto vor der Auslieferung auf dem Fabrikhof bei Linke-Hoffmann. Die sechs Görlitzer Drehgestelle erhalten denselben Einzelachsantrieb wie in der beschriebenen Henschel DH 875. Insgesamt also ein 12-motoriges Fahrzeug. Sie haben richtig gelesen, nicht 8 sondern 12 Motore. Wegen der schwierigen Streckenverhältnisse wird auch der Steuerwagen kurzerhand mit motorisiert. Es ist dann zwar kein Steuerwagen mehr, (ja, was ist es denn eigentlich? Stromabnehmer oben hat er nicht!) aber Leistung hat noch niemandem geschadet. Selbstverständlich erhält der Steuerwagen damit die falschen Drehgestelle mit 3,60 m Achsstand, die in Wirklichkeit nur die Triebwagen hatten. Die ES und EB zum ET 51 waren mit Drehgestellen der Bauart Görlitz III leicht mit 3,00 m Achsstand versehen.

Für alle diese Abweichungen und Spezialitäten gilt folgende (faule) Argumentation: Die AKE ist eine private Nebenbahn, die ihren Fahrzeugpark öfter von der Staatsbahn billig übernimmt, die Fahrzeuge in eigener Werkstatt aufarbeitet, modernisiert und den eigenen Verhältnissen entsprechend umbaut. Gegen diese Art Begründung ist eigentlich nichts zu sagen, aber für die Werkstatt fast alles erlaubt.
Soweit der Erbauer selbst. Hier nun einige Bilder der Modelle:

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Türspalte und Scharniere sind wiederum mit feinem Tuschestrich aufgemalt.

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Die Anschriften sind alle selbst mit ruhiger Hand gezeichnet.

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ES 51 Steuerwagen (Aufnahme B. Strunge aus der Sammlung des Autors)

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Der dreiteilige ET / ES / ET 51 im Endbahnhof auf der Anlage von Alfred Jungenitz (Aufnahme B. Strunge aus der Sammlung des Autors)

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Nachtaufnahme des ET51 auf der Anlage von Alfred Jungenitz (Aufnahme A. Jungenitz aus der Sammlung des Autors)

Natürlich hat Alfred Jungenitz die Drehgestelle wieder mit voll funktionaler Federung wie schon bei der Henschel Diesellok nachgebaut. Auch kamen dieselben Tatzlagerantriebe wie bei der Diesellok zum Einsatz. Die dreiteilige Einheit hat eine Gesamtlänge von ca. 2,70 m. Die Farbgebung in blau-beige, welche wohl der künstlerischen Freiheit des Erbauers und Vorstands der fiktiven Privatbahn entsprungen sein dürfte, steht diesem Triebwagen meines Erachtens ausgesprochen gut.

Die Modelle sind außerordentlich solide gebaut und jeder Wagen wiegt alleine ca. 14 kg, d.h. der dreiteilige Zug kommt auf etwa 42 kg Eigengewicht, die er die steilen Rampen hinauf transportieren mußte, mit zusätzlich angehängten Personen- oder Güterwagen noch entsprechend mehr. Das erläutert, warum der Erbauer sich für Antriebe auf allen Achsen inklusive des Steuerwagens entschied.
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Marco W. (abgemeldet)
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Marco W. (abgemeldet) »

Hallo Karsten,

vielen Dank für die Vorstellung der Modelle und der Anlage. Sehr interessanter Betrieb war darauf möglich. Man meint es sei ein Oval. Aber das war reinster A-B-C Betrieb.

Beste Grüße,

Marco
Georges Geiben
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Georges Geiben »

Guten Abend,
vielen Dank für die Berichte über die Anlage, die Fahrzeuge, sowie die Gleise und Weichen von Herrn Jungenitz. Wer selber Fahrzeuge resp. Gleise/Weichen gebaut hat, hat ein Gefühl für die grosse Leistung welche hier in relativ kurzer Zeit erbarcht wurde. Ich kann nur den Hut ziehen.
Schade, dass ich diesem Menschen mit so viel Wissen und Können nie begegnen konnte.
MfG Georg.
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Torsten Schoening
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Torsten Schoening »

Hallo Karsten,
vielen Dank für deine Berichterstattung! Mit Herrn Jungenitz hatte ich wenig Kontakt, aber wenn, dann war dieser immer sehr herzlich. Seine Fahrzeuge haben mich immer fasziniert.

Kannst du sagen was jetzt mit den Fahrzeugen und der Anlage passiert?

Viele Grüße
Torsten
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Karsten Stöhr
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

Hallo,

freut mich, daß die Modelle auf Interesse stoßen.
Es sollen noch zwei Beiträge mit der Vorstellung seiner Güterwagen und Elloks folgen.

Alfred Jungenitz hat oft versucht, andere zu inspirieren, und seine Kenntnisse und Erfahrungen mit ihnen geteilt, ob in Spur 1, Spur II, 5 Zoll oder bei der Pflege der Tin-Plate Bahnen. In diesem Sinne möchte ich seine Modelle nun von dem stillen Dachboden herunter holen und einem breiteren Publikum vorstellen. Dieser Beitragsbaum ist ein Schritt auf diesem Weg.

Um Torstens Frage zu beantworten: Ich konnte seine ganze Spur II Sammlung erwerben. Mein Wunschziel ist es, in nicht allzu ferner Zeit mit einer kleinen Anlage an der einen oder anderen öffentlichen Modellbahnmesse teilnehmen zu können, um die Modelle einem Publikum vorzustellen und so sein Vermächtnis fortzuführen sowie die Spur II zu repräsentieren.

Der Abbau der Anlage ging recht flott, da die Gleise nur lose eingeschottert waren und mit nur wenigen Schrauben auf den Holzplatten befestigt waren. So konnten alle Gleise ohne Beschädigungen eingesammelt werden - die Bilder der Weiche wurden nach Abbau der Anlage gemacht. Die Gleise sind derzeit in einem Lagerraum eingelagert.

Ich arbeite zwar mit einem lokalen IIm-Modellbahnverein zusammen, aber unsere Kapazitäten sind durch Überalterung und Mitgliederschwund sehr begrenzt. Deswegen liegt die Betonung in meinem oben genannten Ziel auf einer kleinen Anlage. Wir werden es nie schaffen, die ganze Menge von Weichen sowie 200m Gleise zu verbauen.

Ich würde gerne lokale Vereine in Deutschland oder dem benachbarten Ausland, die sich der Regelspur in Spur II widmen oder Regelspur als Ergänzung zur Schmalspur mit aufnehmen möchten, mit einigen der Jungenitz Gleise unterstützen. Die Modalitäten (Unterstützung heißt nicht automatisch kostenlos!) habe ich noch nicht genau überlegt und mache ich auch davon abhängig, wer sich bewirbt. Wichtig wäre die Förderung der Spur II. Ich werde dazu nach Fertigstellung dieses Beitragsbaums noch einen gesonderten Beitrag erstellen.

Alfred Jungenitz hat auch immer wieder Modellbauarbeiten für andere durchgeführt. Wenn ein Leser ein Spur II Modell besitzen sollte, welches von A. Jungenitz gebaut oder umgebaut wurde, so würde ich mich über eine Nachricht freuen, vielleicht sogar mit einem Foto des Modells.

Gruß,
Karsten
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Helmut Schmidt
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Helmut Schmidt »

Hallo Karsten,

ich kannte Alfred gut und hatte mehrfach die Gelegenheit ihn zu besuchen und das nicht nur daheim sondern auch zu seiner aktiven Zeit im Post-Museum.

Seine Kreativität und sein Wissen um Modellbautechniken waren sehr umfassend und so hat er damals Maßstabe gesetzt. Er war bei uns in der IG ja auch Technik-Beauftragter und in meiner Eigenschaft als Modulbeauftragter, haben wir auch immer gut zusammen gearbeitet.

Somit hat Alfred auch mein Modellbahnschaffen mitgeprägt und das Ergebnis waren dann die By4g.
Helmut Schmidt

Modellbau bedeutet für mich Selbstbau in II = 64mm, IIm = 45 mm und IIf = 26,7 mm.
Karsten Stöhr
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Spur II Güterwagen von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

Nachdem mit dem ET 51 für den Personenverkehr gesorgt war, fehlte es noch sowohl an Transportmöglichkeiten für Güter als auch an Anhängseln für die Diesellok. 1989 begann daher die Fertigung der Güterwagen. Ähnlich wie bei den Weichen bereitete Alfred Jungenitz auch hierbei wieder eine möglichst effiziente Serienfertigung vor - Voraussetzung für die Umsetzung eines großen Pensums in überschaubarer Zeit.

Die Fertigung der Fahrgestelle beschrieb er in den Mitteilungen 18, aus denen ich hier wieder für ein breiteres Publikum zitieren möchte:
Um auf der Anlage einem bedrückenden Güterwagenmangel in absehbarer Zeit - also nicht am St.Nimmerleinstag - abhelfen zu können, mußte ein einfaches, stabiles und in seinen beweglichen Teilen funktionsfähiges Untergestell ausgedacht und als Prototyp hergestellt werden. Die folgenden 13 Stück sollen dann Teil für Teil möglichst rationell und ohne Herumprobieren zügig produziert werden. Außer dem Achsstand, bzw. mal mit und mal ohne Bremse, soll sich da nicht viel ändern. Von der Bauart her sind alle Untergestelle bei der Verbandsbauart angesiedelt. Es ist ganz klar, daß man alte Länderbauarten mit heutigen geschweißten Konstruktionen in der Werkstattarbeit nicht mischen kann, wenn das fertige Gebilde einen Sinn haben soll.

Bis auf die Regner-Kupplungen ist alles aus Stahl. Die Pufferbohlen und die äußeren Langträger sind aus 0,75 mm dickem Stahlblech und in meiner Uraltfalzbank selbst zum U-Profil gebogen. Das geht ruck-zuck, wenn die Falzbank einmal richtig eingestellt ist. Die inneren Lang- und Querträger sind aus massivem 3x6 mm blankgezogenem Profilstahl (gibt es bei Zimmermann in Öhringen) und alles ist mit Silberlot zusammengefügt.

Die Zugstange ist durchgehend und in der Mitte nach beiden Seiten in einfachster Form abgefedert. Die Blattfedern haben einen weichen Federweg von etwas mehr als 1 mm, was völlig ausreichend ist. Die Blätter sind aus 0,6 mm Federbandstahl, mit einfacher Stockschere auf Länge geschnitten, gefertigt. Die Augen an den Enden des oberen Blattes sind warm hellrotglühend mit einer kleinen Rundzange gebogen. Eine interessante und pfiffige Arbeit, wie in einer ganz kleinen Schmiede. Die obersten Blätter werden von 0,5 mm dicken Zwischenlagen auseinander gehalten. Das ist notwendig, sonst federt das ganze Paket kein bißchen. Ganz zum Schluß wird zwischen dem obersten Federblatt und dem Federbund der obligate Keil hineingeschlagen und alle Blätter sitzen im Bund bombenfest ohne Loch durch die Federmitte und anderen unerwünschten Eingriffen in das schöne Federpaket.

Die auf dem Foto sichtbaren Achslager sind noch Provisorien. Im kommenden Winter werden auf den Untergestellen einige Rungen-, O- und G-Wagen entstehen.
Prototyp Untergestell (Foto: A. Jungenitz aus der Sammlung des Autors)
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Echte Blattfedern aus Federbandstahl

Prototyp Untergestell (Foto: A. Jungenitz aus der Sammlung des Autors)
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Untergestell aus Stahl mit selbst gefalzten Außenlangträgern und massiven inneren Längs- und Querträgern

Prototyp Untergestell (Foto: A. Jungenitz aus der Sammlung des Autors)
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Untergestell mit durchgehender gefederter Zugstange

Der Prototyp des Untergestells war augenscheinlich in seiner Länge für einen Rungenwagen gedacht. Mit verkürzter Länge in der gleichen Machart entstanden nun 4 gedeckte Güterwagen G 10:

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G 10

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G 10

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G 10

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Endgültige Ausführung der Achslager - Haltesteg und Schaken sind verschraubt für eine leichte Austauschbarkeit der Achsen und Federn

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Durchgehende Zugstange aber ansonsten sieht das Untergestell ziemlich nackt aus

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Die G 10 stellen reine Handbremswagen dar, es gibt keine Druckluftbremse und nicht mal eine Druckluftleitung (keine Bremsschläuche)

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Dafür ist im Inneren des Bremserhauses sogar die Kurbel nachgebildet

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Alle vier G 10 noch unlackiert auf Probefahrt (Foto: A. Jungenitz aus der Sammlung des Autors)

Daß für die inneren Längs- und Querträger Vollprofile statt U-Profile verwendet wurden, ist im Betrieb nicht zu sehen. Die voll funktionale Blattfederung sorgt für ein tolles Rollverhalten. Interessanterweise läßt sich von Wagentyp zu Wagentyp eine gewisse Entwicklung feststellen wie die folgenden Modelle zeigen.

Kommen wir nun zu den offenen Wagen der Bauart Om 12. Auch von diesen wurden wieder vier Stück erstellt, zwei mit und zwei ohne Bremserhaus. Sind die beim G 10 verschiebbaren Türen mit beweglichen Türhaken im Modell keine besondere Sensation, bot der Om 12 Gelegenheit, sowohl Seitentüren als auch Stirnklappen voll beweglich und mit funktionierender originaler Verriegelung nachzubilden!

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Om 12

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Bremsende des Om 12 - hier ist nun unter der Bremsspindel auch die Umlenkung der Handbremse nachgebildet!

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Originalgetreue Verriegelung der Seitentüren - durch Hochdrücken des unteren kleinen Hebels wird der obere lange Riegel nach oben geschwenkt

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Anschließend lassen sich die Türen öffnen

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Stirnklappe mit funktionalem Kniewellenverschluß

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Nach Anheben des Sicherungshebels läßt sich die Kniewelle nach unten drehen und die Stirnklappe kann aufschwingen

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Unteransicht mit durchgehender gefederter Zugstange - und diesmal gibt es einen rudimentären Zylinder als Platzhalter für die Druckluftbremse, so sieht man von der Seite wenigstens „etwas“

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Die Umlenkung der Bremsspindel endet hier in der Luft - aber auf dem Gleis stehend bietet sich von der Stirn und Seite betrachtet der wesentliche Eindruck

Ich bin begeistert von der voll funktionalen Verriegelung der Türen und Klappen, die trotz ihrer Filigranität sehr robust ausgeführt ist. Hier kann man sie in ihrer Funktion sehen: https://www.youtube.com/watch?v=p7aMMWXLjJQ

Auf demselben Untergestell des G 10 und Om 12 mit 4,50 m Radstand entstand noch ein X-Wagen mit niedrigen festen Bordwänden:
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X Wagen (Foto: B. Strunge aus der Sammlung des Autors)

Wie oben erwähnt hatte der Prototyp des Untergestells eine größere Länge. Diese Länge wurde gebraucht für einen Rungenwagen R 20. Da von diesem Typ nur ein Modell vorhanden war, der Prototyp dagegen nicht mehr vorhanden war, liegt der Verdacht nahe, daß dieser R 20 auf dem Prototyp aufgebaut wurde.

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R 20 - der Radstand von 7m deutet darauf hin, daß als Vorbild ein R 20 der Austauschbauart diente statt eines R 10 der Verbandsbauart. Leider fehlt das (wenn auch unauffälligere) Sprengwerk.

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Eine Neuerung: Das erste Mal läßt sich die Tür des Bremserhauses öffnen! Als Untersuchungsdatum ist der 28.2.92 angeschrieben, vermutlich das Fertigstellungsdatum des Modells

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Und noch eine Neuerung: Es gibt eine Druckluftbremsanlage sowie ein Gestänge von der Umlenkung der Handbremsspindel!

Im Sommer 1989 begann die Konstruktion des Untergestells, im Februar 1992 wurde mit dem R 20 mutmaßlich der letzte Güterwagen fertig gestellt. In weniger als drei Jahren wurden insgesamt 10 selbst gebaute Güterwagen von den ursprünglich geplanten 13 realisiert - oder fanden weitere Wagen den Weg zu anderen Eigentümern?

Allen gemeinsam ist die funktionale und robuste Ausführung, den beiden wichtigsten Bauprinzipien des Erbauers folgend. Über die Baulose können wir Fortschritte in der Darstellung der Bremsanlage erkennen.
Karsten Stöhr
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Magnus Wagenmodelle umgebaut von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

1988 brachte Fa. Magnus u.a. folgende zwei Neuheiten heraus: Den Güterwagen Gmhs 35 Bremen und ihr erstes Modell eines Personenwagens nach Vorbild eines bayerischen Dreiachsers vom Typ C3i bay 16. Beide Modelle hatte Alfred Jungenitz sogleich auf seiner Anlage getestet und darüber in den Mitteilungen 15 berichtet.

Obwohl der dreiachsige Personenwagen mit seinem langen Radstand zur positiven Überraschung alle kritischen Stellen der Jungenitz’schen Anlage bravourös gemeistert hatte, wurde er zu einem Drehgestellwagen nach Art der „Langenschwalbacher“ Personenwagen umgebaut, mithin zu einem Lokalbahnwagen preußischer Bauart. Zwar paßt der Wagenkasten nicht wirklich zu einem „Langenschwalbacher“, aber auch eine reale Privatbahn hätte ja theoretisch einen bayerischen C3i mit entsprechenden Drehgestellen umrüsten können. Bei Museumsbahnen sind heute noch "Langenschwalbacher" im Einsatz, z.B. bei der Kandertalbahn einer mit Tonnendach: https://www.kandertalbahn.de/html/wagen/c4id79989.htm.

Die Federung der sehr leicht gebauten Langenschwalbacher Drehgestelle mit einem Radstand von nur 2 m besteht lediglich aus längsgestellten trapezförmigen Blattfedern, die an schwanenhalsähnlichen Längsträgern aufgehängt sind, welche auf den Achslagern aufliegen. Sie verfügen über keine Sekundärfederung (Federung des Wiegebalkens gegenüber dem Wagenuntergestell). Diese Bauart hat Alfred Jungenitz wieder originalgetreu und voll funktional im Modell nachgebildet.

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Der umgebaute Magnus Personenwagen mit selbstgebauten Drehgestellen

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Drehgestell mit originalgetreuer Federung

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Unteransicht eines Drehgestells

Auch das erwähnte Magnus Modell eines Gmhs 35 Bremen wurde umgebaut, es erhielt die gleichen Achslager mit originalgetreuer Federung wie die im vorigen Beitrag gezeigten selbst gebauten Güterwagen des Meisters.

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Magnus Bremen mit umgebauten federnden Achsen

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Quersteg und Schaken sind geschraubt für leichte Wartung und Austauschbarkeit
Karsten Stöhr
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Spur II Modelle der Baureihe E 42.2 von Alfred Jungenitz

Beitrag von Karsten Stöhr »

In den IG Spur 2 Mitteilungen Nr. 33 von 1993 stellte Alfred Jungenitz den Bau von Modellen der Baureihe E 42.2 (EP 215-219) vor. Wie schon beim ET 51 wählte er also wieder ein eher weniger beachtetes Vorbild aus. Seine Motivation erläuterte er wie folgt:
Zur Zeit entstehen in meiner Werkstatt von dieser markanten Maschine 3 Modelle im Maßstab 1 : 22,5. Interessiert hat mich diese Maschine schon als Schüler. Da spielte natürlich zur Hauptsache ihre auffällige äußere Erscheinung eine Rolle. Die großen, fast überall frei sichtbaren Treibräder, die ohne jede Laufachse das Fahrzeug vorwärts wie rückwärts zu führen hatten, dazwischen die fast ebenso großen runden Scheiben der Blindwelle, und alles noch mit Kuppelstangen verbunden!

Für einen Zwölfjährigen aus Hamburg, der elektrische Fernbahnlokomotiven nie zu Gesicht bekam, war das alles irgendwie voller Geheimnisse, die neugierig machten. Überhaupt hatte die E 42 eine Silhouette, die zwischen den Zeiten lag. Sie hatte durchaus nicht mehr das zum Teil altmodisch-unbeholfene Ambiente der elektrischen Lokomotiven aus den Jahren vor 1914. Andererseits war sie von der Eleganz einer E 18 noch sternenweit entfernt. Aber gerade das ist es wohl, was die gefühlsmäßige Einordnung einer solchen Maschine ausmacht.
Dann stellte er uns die Vorbildlok vor:
In der eisenbahntechnischen Literatur ist die E 42 leider nur wenig beachtet worden. In der Zeitschrift "Elektrische Bahnen" vom Juni 1925 findet sich aber in Bezug auf die von der AEG gelieferten Maschinen aus der Hand von W. Kleinow (führender Kopf bei der AEG Lokomotivfertigung) ein ausgezeichneter und gut bebilderter Bericht über dieses Fahrzeug in technischer Hinsicht. Über die merkwürdige Entstehungsgeschichte schreibt dort der Autor: "Die neuesten B-B-Lokomotiven haben einen merkwürdigen Werdegang. Im Mai 1920 hatte die RBD Berlin der AEG elf Triebgestelle der Achsordnung B für die Berliner Stadtbahn in Auftrag gegeben. Die Stadtbahn sollte damals mit Wechselstrom von 15 kV bei 16 2/3 Perioden/sek unter Verwendung des vorhandenen Wagenparks elektrifiziert werden. Als dann Anfang des Jahres 1921 Gleichstrom von 800 V Spannung und Triebwagenzüge gewählt wurden, mußte man für die in der Herstellung weit fortgeschrittenen Bauteile, hauptsächlich die Motoren, eine andere Verwendung finden. Nach längeren Untersuchungen entschloß man sich endlich, Lokomotiven der Bauart B-B für leichte Personenzüge auf den schlesischen Gebirgsstrecken zu bauen. Während der Bauzeit trat dann nochmals eine längere Störung ein, indem die ganz aus Stahlguß bestehenden Rahmen infolge des Ruhreinbruchs der Franzosen über ein Jahr lang im Ruhrgebiet festgehalten wurden…“

Aus unterschiedlichen Gründen, aber auch aus Gründen von Maßüberschreitung bei den Gußstücken, brachte die Lokomotive immerhin 76 t auf die Schienen. Damit war auch der Achsdruck v. 19 t recht beachtlich. Und die Leistung? Sie lag bei lediglich 800 PS Dauerleistung und zeigte damit deutlich, daß die Maschine bei ihrer Inbetriebsetzung 1924 technisch im Grunde überholt war. Auch Kleinow beschreibt sie "als zu schwer ausgefallen" und weist darauf hin, daß die Motoren bereits im Jahre 1913 entworfen worden sind.

Dennoch wurden alle 7 Maschinen (2 Stück stammten von den MSW in Wildau) ein recht guter Erfolg, obgleich sie sicherlich im schlesischen Gebirge immer nahe an der Leistungsgrenze beansprucht worden sind. Die 5 AEG-Maschinen wurden unter der pr. Bezeichnung EP 215-19 und die MSW-Lokomotiven als EP 213-214 (ab 1928 42.2 bzw. E 42.1) geliefert. Bis zum Kriegsende 1945 standen die E 42 14, 15, 17 und 18 noch im Einsatz. Diese Maschinen gingen nach 1945 noch einmal auf große Fahrt nach Moskau und zurück, um dann in der DDR um 1960 dem Schneidbrenner anheimzufallen. Übriggeblieben ist keine. Schade eigentlich.
Weitere Informationen und Bilder zum Vorbild finden sich z.B. auf der Zackenbahn-Webseite: http://www.zackenbahn.de/e42_2.html

Doch nun zur Konstruktion des Modells. Der Erbauer schrieb:
Bei der E 42 handelt es sich um eine sogenannte Brücken-Lok, d.h. der mittlere Wagenkasten dient als "Brücke" zwischen den drehgestellartigen Triebgestellen vorn und hinten. Im Grunde genommen also ein ganz gewöhnliches Drehgestellfahrzeug, das uns Modelleisenbahnern, die nicht über komfortable Großradien verfügen, so sehr entgegenkommt. Bei der ersten Planung fällt natürlich zunächst der Blindwellen- und Kuppelstangenantrieb sofort ins Auge. Man sieht auf den Fotos die kleine runde Abdeckung des Motorwellenzahnrads (sog. "Ritzel"), die etwas aus der Mitte auf dem Zahnradschutzkasten der Blindwelle sitzt. Für den Federweg hat die Kuppelstange neben dem Kurbelzapfen an der Blindwelle ein übliches Gelenk. Ein klarer und überschaubarer Antrieb.

Leider war es mir nicht möglich, passende Zahnräder zu beschaffen, aus denen gleichzeitig die großen Blindwellenscheiben zu gestalten gewesen wären. Ferner waren querliegende Motoren mit genügend langer und kräftiger Ankerwelle nirgends aufzutreiben. So ist es denn bei einem "halben" Blindwellenantrieb geblieben. Der 30-V-Gleichstrommotor mit 66 mm Durchmesser und kugelgelagerter Ankerwelle von 6 mm steht senkrecht auf dem Drehgestell, hat ein kleines Schraubenrad mit 45°-Verzahnung, welches unmittelbar auf ein großes Schraubenrad als Zwischenzahnrad und dieses schließlich auf ein ganz großes Zahnrad mit Geradeverzahnung wirkt. Letzteres sitzt direkt und mit Schwerspannstift verkeilt auf der 7 mm dicken Blindwelle. Alles ganz einfach und mit Modul 1 mm robust und kräftig. Schraubenräder sind übrigens im Gegensatz zu Schneckenantrieben nicht sperrend.

Inwieweit man der Maschine später ein reich detailliertes Äußeres gibt, ist eine zweite Sache. Als erstes muß der Antrieb stimmen und zwar unverwüstlich und leistungsstark. Alles andere ist schmückendes Beiwerk. Bis auf ganz geringe Ausnahmen wird das Modell der E 42 in Stahl entstehen. Auch die Treibräder sind aus Eisenguß und englischer Herkunft (über Fa. Oktant). Das einzelne Triebgestell mit Pufferbrust, 2 mm dicken Rahmenwangen, Rahmenverbindern, Radsätzen und Motor wiegt bereits rund 2,5 kg, was hochgerechnet ein Lokomotivgewicht zwischen 8 und 10 kg erwarten läßt.
Das beschriebene Drehgestell mit senkrecht stehendem Motor:
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Aufnahme A. Jungenitz aus der Sammlung des Autors

Hier nun Bilder des fertigen Modells der EP 216:

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Das Modell der Schwesterlok EP 215 ist identisch gebaut:
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In seinem Artikel erwähnte Alfred Jungenitz, daß er an drei Modellen der E42.2 arbeiten würde. Die Familie ist vage der Meinung, daß die dritte Lok in die Schweiz gegangen sei. Für die Komplettierung der Historie wäre ich dankbar für Hinweise, ob es tatsächlich ein drittes Modell gibt (eine EP 217 ??).

Damit endet meine Vorstellung der Spur II Modellbau-Aktivitäten von Alfred Jungenitz.

Gruß,
Karsten
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Torsten Schoening
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Torsten Schoening »

Hallo Karsten,
vielen Dank für die Vorstellung der Fahrzeuge, es ist immer wieder ein Genuss die Fahrzeuge von Alfred zu sehen.
Eine zweite Maschine kenne ich, die befindet sich in Berlin. Unsere Berliner Spur II-Freunde können hier bestimmt Auskunft geben. Es ist glaube ich die Maschine, die in Schenklengsfeld mal aus der Transportkiste gerutscht ist .... es sah nicht gut aus ...

Gruß
Torsten
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Georges Geiben
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Re: Spur II Modellbau von Alfred Jungenitz

Beitrag von Georges Geiben »

Guten Abend,
vielen Dank für die interessanten Beitrage über das Schaffen von Herrn Jungenitz.
Es hat mich sehr gefreut die Beschreibungen zu lesen, als auch die Bilder zu schauen!
MfG Georg.
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